BERICHT:
Begonnen hat alles am späten Nachmittag eines schönen sonnigen Sommertages, mit schwülen 27°C und einem Taupunkt von über 17°C. Solche Bedingungen fördern üblicherweise die Bildung heftiger Gewitter. Jedoch war an diesem Tag noch zusätzlich ein schwergewitterfördernder Faktor sehr ausgeprägt, nämlich die Windscherung! Das bedeutet, dass während es am Boden, Wind aus Süd - Östlichen Richtungen gab, herrschte in höheren Luftschichten Wind aus westlichen Richtungen. Perfekte Bedingungen zur Entstehung rotierender Gewitter.
Dieses ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Radarbilder zeigten die Entstehung einer heftigen Gewitterzelle, die Kurs direkt auf meinen Standort hatte und schon gegen 18 Uhr viel mir der mächtige Amboss und Aufwindturm des Unwetters auf.
Zu diesem Zeitpunkt schien noch alles friedlich und die Welt in Ordnung zu sein, aber erste Bilder der Stormchaser, die an diesem Tag auch unterwegs waren, zeigten mir eine beängstigende Entwicklung. Auch die Strukturen des Eisschirms der Zelle deuteten durch sehr ausgeprägte Mammaten schon gegen 18h30 auf sehr viel Dynamik in der Zelle hin.
Daraufhin verdunkelte sich der Horizont immer mehr und gegen 18h 40 wurde der Aufwindbereich, der mittlerweile schon als stark einzustufenden Klassischen Superzelle, sichtbar. Strukturen, wie ich sie noch nie in meinem Leben sehen konnte und wenn man den Konturen der Wolken folgt sieht man förmlich, wie die Zelle rotiert.
Dieses Foto entstand 7 Minuten später gegen 18h47 und man konnte auch die zerfranste Wallcloud unter dem dunklen rotierenden Aufwindteller der Zelle nun eindeutig erkennen.
Unaufhaltsam zog sie weiter und zu diesem Zeitpunkt kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus . Das was ich bisher nur aus dem Fernsehen und einzelnen Youtube Videos aus Amerika kannte, spielte sich direkt vor meinen Augen, vor meinem Elternhaus ab. Dieses rotierende Monster produzierte einen Rüssel Richtung Boden, eine eindeutige Funnelcloud und höchstwahrscheinlich auch einen noch nicht bestätigten Tornado.
Eindeutig zu erkennen die trichterförmige Absenkung unter der Wallcloud und am Zeitraffer im Video, erkennt man auch eindeutig die Rotation des Komplexes.
Auch die Südflanke dieses Unwetters, wo die meiste Warmluft zur Gewitterturmbildung hochgesogen wird, war sehr ausgeprägt und bot einen mächtigen Anblick!
Jedoch woran erkennt man, dass so ein Unwetter rotiert?
Es ist ganz einfach, man erkennt es an den Wolkenstrukturen. Hier habe ich einmal das Original und als zweites habe ich die einströmende Warmluft mit rot und die ausfallende Kaltluft mit blau markiert. Mit weiß habe ich den Luftwirbel im Zentrum des rotierenden Komplexes, den wahrscheinlichen Tornado, markiert. Durch die ausströmende Kaltluft und die einströmende Warmluft, die aufeinander prallen, entsteht diese Verwirbelung und desto wärmer, feuchter und somit auch Energiereicher die Warmluft ist, desto größer ist ihr Bedürfnis auf zu steigen und diese reißt somit auch die Kaltluft wieder mit nach oben und es entsteht der Sog einer rotierenden Trichterwolke, bzw ein Tornado.
Wie vorhin schon erwähnt wird die Bildung solcher Ereignisse natürlich durch gute Scherungsverhältnisse begünstigt und die aufsteigende Luft kann leichter in Rotation versetzt werden.
Nach Sichtung dieses unglaublichen Spektakels brachte ich kaum noch ein Wort heraus, aber der Auslöser meiner Kamera lief auf Hochtouren.
Immer näher kamen diese dunklen Wolken und nun wurde auch der helle Hagelkern eindeutig Sichtbar, der sogenannte "Core" im linken Bildteil.
Die vielen kleinen Rüsselchen unter der Wallcloud deuten darauf hin, dass es jederzeit zu einer Tornadobildung unter der Wallcloud kommen kann und hier am letzten Foto deutlich zu erkennen die bläuliche Färbung in den Wolken. Diese kommt durch die enormen Eis und Wassermassen darin zu stande. Wer sich zu diesem Zeitpunkt noch ungeschützt im Freien aufhält begiebt sich in akute Lebensgefahr!
Im Nachfolgendem Video sieht man im Zeitraffer eindeutig die Rotation des Unwetters und der Funnelcloud, bzw des wahrscheinlichen Tornados. Danach erkennt man den Starkregen, der von der Ausfallenden Kaltluft von Nord nach Süd geweht wird und auch das tiefe Grollen was langsam immer lauter wurde und die herannahende Katastrophe ankündigte.
Wie kann es passieren, dass der Hagel so groß wird?
Wer den Bericht bis hierher aufmerksam durchgelesen hat, wird die Antwort schnell finden.
Die warme Luft steigt auf, kondensiert zu einer Wolke, und ab einem gewissen Grad ist so viel Wasser in der Wolke drinnen, dass diese wieder Wasser auswirft, eben den Niederschlag. Desto heftiger dieser Prozess ist, desto heftiger der Niederschlag, bzw desto größer die Wassertropfen. Oftmals kann hier auch kleiner Hagel oder Graupel entstehen.
Wie vorhin schon erwähnt, wird die ausfallende Kaltluft aus der rotierenden Gewitterzelle wieder in den Aufwind eingesaugt und diese Kaltluft nimmt auch Niederschlag, eben Regen und kleine Eiskörner mit. Somit werden diese wieder mit in die Höhe gerissen, wo es kälter ist, und können weiter wachsen. So entsteht auch die unregelmäßige Struktur der großen Hagelkörner, da diese genaugenommen aus vielen einzelnen kleinen Hagelkörnern bestehen, die durch wieder aufgesaugte Wassertröpfchen in größerer Höhe weiter zusammenfrieren.
ANALYSE:
Wie schon erwähnt, gab es an diesem Tag sehr schwül-warmes Wetter und sehr gute Bedingungen zur Entstehung solcher Unwetter. Diese Gewitterzelle kann eindeutig als Klassische Superzelle bzw auch als Höchstwahrscheinlich Tornadische Superzelle eingestuft werden. An dieser Stelle möchte ich auf den ausführlichen Chasingbericht und die Analyse der Superzelle selbst, auf wetteran.de verweisen.
Diese Superzelle entstand im Vorfeld einer sehr schnell ziehenden Kaltfront, die mit diesem Monster sehr bald zu einem so genannten Bow Echo verschmolz, das besonders viel Niederschlag bringt.
Hier ein Radarloop, auf dem man im Vorfeld den kleinen rot leuchtenden Giftzwerg erkennen kann und dieser dann mit der Squalline vor der Kaltfront verschmilzt.
Auf dem Niederschlagsradar erkennt man schon, dass es sich hier um eine rotierende Zelle handelt, da diese im Querschnitt oft eine eindeutige Neigung aufweist und etwas herumzueieren scheint, wie ein Kreisel, was ein sehr eindeutiges Indiz ist.
Als nächstes Loop, hier die Radardaten vergrößert mit Google Maps.
Man sieht sehr gut den scharf verlaufenden Gradienten der Zelle und auch später dann, im letzten Bild, das verschmelzen mit der nachkommenden Squalline zum sogenannten Bow Echo
Hier die VERA - Analyse Karte, der Universität Wien, die den Windrichtungswechsel mit der Kaltfront und auch die scharfen Temperaturgegensätze zeigt, was ebenfalls die Intensität der Linie zeigt und weiters rotierende Gewitter begünstigt.
Die Blitzaktivität war an dieser Front sehr hoch, vorallem zu dem Zeitpunkt als die Superzelle und die Squalline gegen 17h UTC verschmolzen.
in weiterer Folge verclusrtete dieser Komplex und zog als sich langsam abschwächender MCS weiter Richtung Tschechien.
Jedoch für eine genauere Analyse zu diesen Frontendurchzug verweise ich auf den Wetterblog von Manfred Spatzierer
Weitere Bilder zu diesem Ereignis gibt es in der Fotogallerie zu sehen.
EPILOG:
Manche haben mich schon gefragt, warum kommt sowas grad zu uns!? ...
Auf diese Frage weiß ich leider keine Antwort, und höchstwahrscheinlich auch viele Meteorologen noch nicht. Aber es ist erwiesen, dass Gewitter bevorzugte Bahnen einschlagen und in manchen Gebieten diese auch bevorzugt entstehen. Auch im Jahr 2012 ist es praktisch unmöglich die genaue Zugbahn und die Uhrzeit von Gewittern vorherzusagen. Vorallem Superzellen sind sehr schwer zu prognostizieren und man kann nur Tendenzen und mögliche gefährdete Gebiete angeben. Hier sind wir der Natur voll und ganz ausgeliefert und das einzige was wir tun können ist, diese mit offenen Augen zu beobachten und aus ihr zu lernen, damit zumindest keine Verletzten mehr durch solche Unwetter zu beklagen sind.
Sachschäden lassen sich hier leider nur schwer vermeiden und an dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei der Freiwilligen Feuerwehr bedanken, die dieses ganze Wochenende damit verbracht haben, vom Hagel beschädigte Hausdächer wieder ab zu dichten und auch das Dach meines Elternhauses abgedichtet haben, um etwaige Schäden durch nachfolgenden Regen zu vermeiden. Danke!
Super! 1000x Danke für Deinen Bericht und Dein Video!! (Ich liebe es - hab bei meinem ersten Hagelvideo/ Downburst/ Naheinschläge auch so geflucht:) Oder kennst Du jemanden, der live angesichts solcher Urgewalten zu dozieren anfängt?? Na:) OK, dem F...x würde ich es zutrauen ;-) Freu mich, dass es Euch Skywarner gibt - hab leider kaum Möglichkeiten, Wetter so wie Ihr zu dokumentieren. Mach weiter so. Gut, dass Du zur richtigen Zeit am richtigen Ort warst -klingt blöd angesichts der Verwüstungen.. kenne von früher Wieselburg. Schön. Niemand sollte solche "Erfahrungen" machen müssen. Wir hoffen wirklich dass die Schäden bei Euch nicht allzu schlimm sind :-( LG aus Wien
AntwortenLöschenHallo!
AntwortenLöschenAuch von meiner Seite GRATULATION zu dem "tollen" Video! Wirklich eindrucksvoll zu sehen, welche Kraft in den Wolken steckt. Auch die Analyse dazu finde ich großartig!!!
hi david, dank dir für den sensationellen bericht! die verlinkungen zu den fachausdrücken finde ich einfach klasse, wo ich als "noch"-laie nachlesen kann. großartig!
AntwortenLöschenLG chrissie1220 (skywarn austria)